Mythisches Wrocław – Teil 3.

Data aktualizacji: 2016-10-18

Der dritte und zugleich letzte Teil der Reise.

14. Die Kathedrale des hl. Johannes des Täufers (pl. Katedralny 18)

Die um die Wende vom 13. zum 14. Jahrhundert errichtete Basilika ist das prachtvollste Bauwerk der gotischen Sakralarchitektur in Wrocław. Aufgrund ihrer besonderen Rolle in der Geschichte der Stadt ist sie von zahlreichen Legenden umrankt. Zu den bekanntesten gehört die vom steinernen Kopf, der sich in einer kleinen Nische im Südturm der Kathedrale befindet. Der Erzählung zufolge gehört er einem Gesellen eines reichen Goldschmieds aus Wrocław, der sich einst unglücklich in die Tochter seines Meisters verliebte.

Der Vater wollte von dieser Verbindung nichts hören und jagte den Jungen aus seinem Haus davon, dieser geriet darauf auf die schiefe Bahn und verdiente sich sein Lebensunterhalt mit Diebstahl und Raub. Nachdem er auf diese Weise es zu einem beachtlichen Vermögen gebracht hatte, kehrte er zu seinem alten Meister zurück und hielt um die Hand seiner Tochter an. Als diesem allerdings bewusst wurde, woher die angebotenen Schätze stammen, jagte er den Verehrer erneut davon. Der Abgewiesene wiederum zündete aus Verzweiflung und Rache das Haus des Goldschmieds an, beobachtete anschließend den Brand aus dem Fenster der Kathedrale. Die Strafe kam jedoch schneller, als er es erwartet hatte. Die Mauern drückten sich um seinen Hals zusammen und sein versteinerte Kopf blieb für Jahrhunderte als Warnung an alle, die seinem Beispiel folgen möchten. Eine andere Geschichte ist mit einem Löwenhaupt ohne Mähne verbunden. Ihr Fehlen erklärt man sich durch einen Streit, der zwischen dem Steinmetzen, der die Figur angefertigt hatte und dem Meister, der ihm die vereinbarte Geldsumme nicht bezahlen wollte, ausgebrochen war. Der erboste Steinmetz schlug auf den Löwen ein, in der Absicht, ihn zu zerstören, überraschenderweise fiel jedoch nur die Mähne ab. Man sah darin die göttliche Intervention, die dem geizigen Meister jenen Teil der Arbeit wegnahm, die er nicht bezahlt hatte. Beachtenswert ist auch ein Relief auf einer der Säulen im Eingangsbereich, das zwei Männer zeigt, die Zoophilie mit einer Ziege treiben. Diese aussagekräftige Szene soll an das elende Schicksal der sittenlosen Einwohner von Sodom und Gomorra erinnern.

Wir gehen an der Nordseite um den Dom herum, vorbei u.a. an einer kleinen Buchhandlung, in der man Souvenirs wie Alben oder Devotionalien erwerben kann und schon nach über zehn Metern erblicken wir an der linken Seite die kleine St. Egidiuskirche, die mit dem benachbarten gotischen Gebäude des Domkapitels aus dem Jahr 1520 mittels eines kleinen Arkadentors verbunden ist (5 Minuten).

15. Das Klößetor (pl. Katedralny 15)

Das Tor ist Held einer der beliebtesten Legenden der Stadt. Die Spitze des Tores krönt eine kleine, unförmige Kugel, die man kaum mit irgendeiner zierlichen oder praktischen Funktion verbinden kann. Die Sage vom Klößetor erklärt ihre Existenz folgendermaßen: Einem Bauern aus Grüneiche bei Wrocław starb die Frau, eine hervorragende Köchin. Er trauerte deshalb um die Gattin, besonders aber um die schlesischen Klöße, die niemand so gut wie sie zubereiten konnte. Eines Tages, als er den Markt in Wrocław aufsuchte, schlief er an der St. Egidiuskirche ein, die verstorbene Gattin erschien ihm plötzlich im Traum und verkündete, dass sie wegen seiner Trauer kein Glück im Himmel finden kann. Sie versprach ihm einen Zaubertopf voll von Klößen da zu lassen, von denen er immer genug haben wird, allerdings unter der Bedingung, dass er einen Kloß immer im Topf übrig lässt. Als er aufwachte, sah er einen Topf voller Klöße vor sich. Er begann sofort sie zu verzehren, dachte dabei stets an die Bedingung seiner Gattin. Der Hunger war jedoch stärker und er beschloss, auch den letzten Kloß aufzuessen. Als er dabei war, ihn herunterzuschlucken, sprang der Kloß vom Löffel hoch, blieb am Torbogen hängen und wurde zu Stein. Und der Topf blieb seitdem für immer leer.

Vom Klößetor begeben wir uns zum Domplatz, wir gehen über die kleine Gasse ul. Św. Józefa in Richtung Oderufer, und anschließend entlang der Spazierpromenade zur Pokój-Brücke. Wir lassen die unvollendete neue Universitätsbibliothek links hinter uns, deren Probleme, wie manche behaupten, auf die Rache der Verstorbenen zurückzuführen seien, deren Ruhe man gestört hat – an dieser Stelle wurde nämlich ein alter Friedhof entdeckt, von dessen Existenz niemand wusste. Wir betreten die Pokój-Brücke, von wo es ein herrliches Panorama auf die bekannteste Brücke der Stadt gibt, Most Grunwaldzki (dt. Kaiserbrücke, später Freiheitsbrücke) eröffnet (Zeit: 10 min).

16. Grunwaldzki-Brücke

Sie entstand in den Jahren 1908-1910 nach Plänen von drei Ingenieuren M. Mager, R. Weyrauch, M. Mayer sowie dem Konstrukteur Scholtz und gilt als ein Symbol Wrocławs. Zum Zeitpunkt ihrer Eröffnung war sie die zweitgrößte Hängebrücke Deutschlands, ihre stählerne, zwischen zwei Pfeilern gespannte Konstruktion galt dabei als besonders innovativ. Der Legende zufolge sollte sich der Autor des Brückenentwurfs am Brückengerüst erhängen bzw. in der Oder ertränken wollen, da eine erneute Berechnung darauf hindeutete, dass das Bauwerk bald zusammenstürzen würde. Der Grund für diese Geschichte liegt wohl in der Tatsache, dass der Erbauer der Brücke, der Stadtbaurat Richard Plüddemann, das Ende der Investition nicht erlebte. Schon nach dem Krieg, in den 50er Jahren wurde ein Flug eines Kunstfliegers unter der Brücke zur Legende. Da allerdings Exzesse dieser Art verboten waren und auch immer noch sind, hat sich niemand zu dieser Heldentat bekannt.

Von der Pokój-Brücke begeben wir uns durch den Słowacki-Park in Richtung der Kirche des hl. Adalberts. Unterwegs gehen wir u.a. an der kleinen Gondelbucht vorbei, die ihren Namen dem Privileg verdankt, auf dem Fluss originelle venezianische Gondeln zu nutzen als angeblich einzige Stadt in Europa. Anschließend lassen wir die Rotunde des Panoramas von Racławice rechts zurück, gehen am Architekturmuseum und am Einkaufszentrum Galerie Dominikańska vorbei und erreichen schließlich die Kirche St. Adalbert (Św. Wojciecha) (Zeit: 15 min).

17. Das Kloster des hl. Adalberts (pl. Dominikański 2)

Eine der ältesten Kirchen der Stadt entstand im 12. Jh. zusammen mit dem nicht mehr erhaltenen Augustinerkloster. Anschließend wurde sie von den Dominikanern übernommen und umgebaut, die bis heute dort die Hausherren sind. In der Kirche wurde der Leichnam des seligen Ceslaus Odrowąż bestattet, der während des Mongoleneinfalls von 1241 Prior des Dominikanerklosters war und zum Stadtpatron wurde. Der Legende zufolge war es den Tataren schon fast gelungen, die Stadt zu erobern, bis sich alle Bewohner, dem Rat des Priors Ceslaus folgend, auf der Dominsel versteckten. Als die unzähligen Orden von Batu Khan schon dabei waren, die Oder zu überqueren und die letzte Bastion der Verteidiger zu stürmen, fiel Ceslaus auf die Knie und begann zu beten, nach seinem Beispiel auch die übrigen Stadtbewohner. Und plötzlich begann der Himmel zu brennen und die Angreifer wurden durch das himmlische Feuer überflutet. Die erschreckten Mongolen flohen, ein Teil von ihnen beschloss sogar nach diesem Erlebnis, die Religion, die über derartige Kraft verfügt, anzunehmen. Eine andere Geschichte vom seligen Ceslaus erzählt, dass er eines Tages mit dem letzten Sakrament unterwegs zu einem Kranken war und dabei die Oder überqueren musste, auf der sich jedoch keine Brücke befand. Darauf empfiehl er sich Gott, legte seinen Mantel über das Wasser und zum Erstaunen der Menschen schwamm er darauf zum anderen Ufer. Erwähnenswert ist zudem, dass die über seinem Grab in den Jahren 1715-1730 errichtete Kapelle als einziges Bauwerk der St.-Adalbert-Kirche während der Belagerung der Festung Breslau nicht zu Schaden kam...

Von der St.-Adalbert-Kirche gehen wir durch die ul. Katarzyny, anschließend geradeaus durch die ul. Wita Stwosza und erreichen den kleinen Platz an der Kirche St. Maria Magdalena. Hier bietet sich auch die Gelegenheit, saubere öffentliche Toiletten zu benutzen, bevor wir mit der Besichtigung der gotischen Kirche beginnen (Zeit: 10 min).

18. Die Magdalenenkirche (Szewska/ul. Św. Marii Magdaleny/ul. Łaciarska)

Die Türme der im 13. Jh. errichteten Magdalenenkirche sind mit einer charakteristischen, 1459 erbauten Brücke verbunden (erst vor einigen Jahren nach Kriegszerstörungen wieder errichtet). Manchmal sagt man über sie, sie sei die höchste Brücke im modernen Europa. Mit ihr ist die wohl bekannteste Wrocławer Sage verbunden. Demzufolge spazieren über die Brücke Geister von leichtsinnigen Mädchen, die Buße tun für ihr nutznießerisches Leben, in dem sie den Männern den Kopf verdrehen und niemals heiraten wollten. Von nun an müssen sie bis in ewige Zeiten diese Brücke sauber machen, bestraft mit jener Arbeit, die sie zu Lebzeiten vermeiden wollten. Es gibt noch eine zweite, ebenso faszinierende Geschichte, die mit diesem Ort verbunden ist. Es ist die Legende von der Sünderglocke. Die größte Glocke der Kirche ist ein Werk des bekannten Glockengießers Michael Wilde. Einer seiner Schüler sollte diese Glocke während der Abwesenheit des Meisters gegossen haben, was streng verboten war. Als der Glockengießer es erfuhr, erschlug er seinen Schüler wutentbrannt, anschließend eilte er, das Werk zu begutachten, von dem er meinte, es sei beschädigt worden. Allerdings fand er die Glocke fertig und intakt. Als er für seine Tat zum Tode verurteilt wurde und man ihm das Recht gab, seinen letzten Wunsch zu äußern, bat er nur darum, dass sein Tod vom Läuten seiner geliebten Glocke begleitet wird. Von diesem Zeitpunkt an begleitete die Glocke alle zum Tode Verurteilten. Leider ist sie im Krieg zerstört worden.

19. Das Rathaus und der Schweidnitzer Keller (Rynek Ratusz 1)

„Wer nicht im Schweidnitzer Keller war, ist nicht in Breslau gewesen“ lautete einst die Inschrift an der Wand im Inneren des Lokals. Oft behauptet man, es sei das älteste Restaurant in ganz Europa und - sollte dies auch wahr sein - bezieht es sich doch auf das Gebäude selbst, denn das Restaurant wechselte oft die Funktion und den Besitzer. Die ältesten Spuren seiner Existenz reichen in das Jahr 1303 zurück, von 1332 stammt dabei die Rechnung, die den Bezug von Gerstenbier aus Schweidnitz bezeugt, dem das Restaurant auch seinen Namen zu verdanken hat. Viel mehr, die Berühmtheit dieses Bieres erstreckte sich auf die Nachbarländer, Wrocław versorgte damit u.a. Toruń und Wrocław. Etwa im 16. Jh. wurde das Schweidnitzer Bier durch das vor Ort gebraute Weizenbier Weißer Schöps ersetzt, das sich bald einer ebenso großen Popularität erfreute. Über dem Eingang in den Keller sind zwei Reliefs zu sehen – ein betrunkener, schwankender Mann und eine Frau, die mit einem Pantoffel in der Hand auf ihn lauert. Es ist die Warnung an diejenigen, die sich allzu eifrig vom Reiz des hier verkauften Bieres verführen lassen.

Hier lassen wir Sie allein, mit einem Krug Weißen Schöps, den man in den restaurierten Räumen wieder bestellen kann. Und vergessen Sie nicht – in Wrocław erzählt man nicht nur Geschichten, die jahrhundertealt sind, es entstehen immer wieder neue. Vielleicht lassen Sie sich auch zu irgendeiner modernen Legende inspirieren?