Mythisches Wrocław – Teil 2

Data aktualizacji: 2016-10-18

Der zweite Teil der Reise auf den Spuren der ältesten Volkssagen, Sensationen aus der vergangenen sowie der jüngsten Zeit, Erzählungen, die mehr oder weniger mit der Hauptstadt von Niederschlesien in Verbindung stehen.

7. Die Kirche St. Elisabeth (ul. św. Mikołaja 1)

Die gotische Basilika, errichtet an Stelle einer älteren Kirche aus dem 14. Jh., ragt über den Rynek und die umliegenden Gebäude. Die ursprünglich katholische Kirche wurde im Jahr 1525 von den Protestanten übernommen, der Legende nach verlor sie Erhard Scultetus, Meister der Kreuzherren von St. Mathias, beim Kartenspiel. Der Bau war zu diesem Zeitpunkt 130 Meter hoch und eins der höchsten Gebäude in Europa, was es v.a. dem riesigen, fast 50 Meter großen Turmhelm zu verdanken hatte. Am 24. Februar 1529 fiel dieser Helm während eines Sturms auf das Nachbarhaus Nr. 22. Die Katholiken waren der Meinung, es sei die Strafe dafür, dass man ihnen die Kirche weggenommen hatte. Die Protestanten wiederum hielten das Ereignis für ein Zeichen der göttlichen Vorsehung und erzählten, dass Engel gesehen wurden, die das fallende Turmfragment stützten, was auch auf einem Relief an der Kirchenfassade verewigt wurde. Während der Katastrophe starb nämlich nur eine Katze.

Von der Kirche St. Elisabeth begeben wir uns nach Norden, entlang der ul. Odrzańska. Für einen Moment können wir beim Eingang in die kleine Gasse Stare Jatki halt machen. In der einst im Besitz der Metzgerzunft befindlichen Straße lassen sich nun kleine Galerien nieder, in denen man Kunstwerke oder Souvenirs kaufen kann. Hier befindet sich auch das außergewöhnliche Denkmal für die Schlachttiere, das jedes Jahr durch einen neuen Bronzeguss ergänzt wird. Die Tafel „Zu Ehren der einfachen Gleichungen“ des Künstlers Get-Stankiewicz wird jedes Jahr neu enthüllt. Anschließend gehen wir geradeaus auf die ul. Odrzańska und biegen nach ca. zehn Metern rechts ab, in die ul. Nożownicza. Wir erreichen die Kreuzung mit der ul. Szewska, biegen links ab und betreten das Haus Nr. 50/51. Ein kurzer Gang führt zum Innenhof. Unterwegs gehen wir an einigen günstigen Restaurants und Servicepunkten, u.a. an einem Photo-Salon, vorbei. (Zeit: 15 min)

8. Versteinerte Tänzerinnen (ul. Szewska 50/51, Innenhof)

An einer der Fassaden im Innenhof des im Jahr 1904 errichteten Gebäudes des Instituts für hilfsbedürftige Handlungsdiener, dem heutigen Sitz des Lehrstuhls für Ethnologie und Kulturwissenschaften, befindet sich ein Relief mit versteinerten Tänzerinnen. Der Legende nach hatte eine arme Witwe neun Töchter, die leichtsinnig ihre Zeit mit Spaß und Romanzen vergeudeten. Die Mutter tolerierte ihre Flausen, bis zu dem Moment, als sie am Karfreitag tanzen gehen wollten. Sie wurde sehr wütend und sperrte die Töchter in eine kleine Kammer ein. Die Töchter beschlossen jedoch, durch ein Fenster zu entkommen. In dem Moment, in dem sie es taten, versteinerten sie. Eine seltsame Legende – die Skeptiker bemerken gleich, dass auf dem Relief 12 Mädchen zu sehen sind. Das Bild selbst stellt Kronos, die Muse Thalia sowie tanzende Nymphen dar. Das Relief stammt aus einem barocken Bürgerhaus, das sich zuvor an der Stelle des heutigen Gebäudes befand.

9. Der Fechter (pl. Uniwersytecki)

Vom Fechter begeben wir uns durch einen Tunnel unter dem Hauptgebäude der Universität auf die Universitätsbrücke. In ihrer Mitte befindet sich die Skulptur „Powodzianka“ (Flutopfer), angefertigt vom Bildhauer Stanisław Wysocki anlässlich des ersten Jahrestags der Flut von 1997. Für diese Strecke benötigen wir nicht mehr als 3 min.

10. Powodzianka (Universitätsbrücke)

Ohne Oder gäbe es kein Breslau – ihre Rolle für die Entwicklung des Handels und der Wehrhaftigkeit der Stadt steht außer Frage. Eine Legende besagt, dass sich an dieser Stelle die böhmische Herzogin Dubrawka und Mieszko I., der ihr entgegen eilte, zum ersten Mal trafen. Am 7. März 965 an der Mündung der Ohle in die Oder wurde die Vermählung der beiden sowie die Taufe des Piastenhäuptlings gefeiert. Aus diesem Anlass ließ er angeblich alle heidnischen Götzenbilder im Fluss ertränken, diese Geste wurde zu Beginn der beliebten Tradition des Ertränkens der „Marzanna“ am ersten Frühlingstag. Von diesem Zeitpunkt an spielte die Oder mehrmals eine Schlüsselrolle in der Geschichte der Stadt. Das letzte Mal im Jahr 1997, als die große Flut die Bewohner vereinte, die ihrer Stadt zu Hilfe eilten. Der Kampf gegen das Hochwasser wurde zu einer weiteren modernen Legende, ihr Symbol ist eben das Denkmal der Powodzianka, die Bücher aus den Bibliotheken vor der Flut rettet. Interessanterweise ist die direkt am Wasser gelegene Dominsel und die Universität verschont geblieben, unter Wasser stand hingegen die ul. Kościuszki.

Wir überqueren die Universitätsbrücke und biegen gleich hinter dem Backsteingebäude des ehemaligen Militärgefängnisses rechts, auf eine moderne Brücke über die Oder, ab. Wir überqueren den Park auf der Słodowa-Insel, eine kleine Brücke über dem Wehr auf die Młyńska-Insel und betreten die Mühlenbrücke (Mosty Młyńskie) neben dem Hotel Tumski. Für diese Strecke brauchen wir nicht mehr als 15 min.

11. Die Mühlenbrücke

An dieser Stelle erfolgte am 4. April 1503 (die heutigen Brücken aus dem ausgehenden 19. Jh. sehen anders aus als damals) auf Anordnung der Heiligen Inquisition eine „Wasserprobe“. Die der Hexerei bezichtigte Frau wurde gefesselt, der Tradition entsprechend in einen weiten, roten Mantel eingehüllt und ins Wasser geworfen. Man glaubte damals, dass, sollte die Beschuldigung falsch sein, Gott die Unschuldige retten würde. Und wie sich herausstellte, die durch die Strömung ins Flachwasser getriebene Frau überlebte! Dieses Ereignis brachte die Inquisition in Wrocław zum Fall.

Wir überqueren die Dombrücke und erreichten nach 5 min die Stiftskirche Hl. Kreuz

12. Die hl. Kreuzkirche (pl. Kościelny)

Der Legende zufolge entbrannte zwischen Herzog Heinrich IV. dem Gerechten und dem Wrocławer Bischof Thomas II. Zaremba ein heftiger Streit, der mit der Verbannung des Bischofs aus der Stadt endete. Als sich schließlich nach zwei Jahren die Antagonisten wieder versöhnt hatten, beschloss Herzog Heinrich IV. der Gerechte zum Gedenken an dieses Ereignis eine Kirche zu stiften. Sie sollte dem hl. Bartholomäus – dem Patron seiner Familie geweiht werden und als Grablege des Herzogs und aller schlesischen Piasten dienen. Allerdings fand man beim Errichten der Fundamente eine seltsame Wurzel in der Erde, deren oberer Bereich an ein Kreuz mit Christusdarstellung erinnerte, der Sockel wiederum an zwei betende Menschengestalten. Man hielt es für ein Zeichen, dass die Kirche dem hl. Kreuz geweiht werden sollte, Heinrich der Gerechte allerdings wollte seinen alten Schwur nicht brechen und befahl, zuerst die St. Bartholomäuskirche zu vollenden und dann über ihr eine zweite - die hl. Kreuzkirche zu bauen. Der Bau der untypischen, zweigeschossigen Kirche wurde erst nach dem Tod des Herzogs, im Jahr 1295, beendet.

Interessant ist auch das daneben befindliche:

13. Denkmal des hl. Johannes Nepomuk (pl. Kościelny)

Das von Jan Jerzy Urbański errichtete Denkmal stammt von 1732 und entstand nach dem Entwurf des österreichischen Jesuiten Christophorus Tausch (1673-1731), Maler, Bildhauer und Architekt. Die Reliefs am Sockel des Denkmals zeigen Szenen, die zum Märtyrertod des hl. Johannes in den Fluten der Moldau geführt haben. Bemerkenswert sind vor allem zwei außergewöhnliche, glatzköpfige Engel. Angeblich ist einer der Steinmetze während der Anfertigung des Denkmals Vater geworden und wollte in den Figuren der Putti das Bild seines Sohnes verewigen.

Vom Nepomuk-Denkmal gehen wir geradeaus, bis zur Kathedrale, die über der Dominsel ragt (Zeit 5 Minuten) – wir laden zum dritten Teil der Reise ein.